Sounds like Südstadt.

Köster & Hocker & Krumminga, Lutherkirche, Köln, 05.07.2020


Gerd Köster, Frank Hocker und Helmut Krumminga luden in die Lutherkirche in der Kölner Südstadt um den Zuhörern Einblicke in diverse Mikrokosmen zu geben.

>>And nothing ever happens, nothing happens at all // The needle returns to the start of the song // And we all sing along like before << - Die Zeilen von Del Amitri passen irgendwie sehr gut auf vieles was in der Coronakrise so vor sich ging und geht. Und das "Wieder singen wie zuvor" war mir als begeisterter und häufiger Konzertbesucher ein großes Bedürfnis. Und so war dann auch das Konzert von Köster & Hocker & Krumminga in der Lutherkirche in der Südstadt für mich ein großer Schritt in eine Form der Normalität.

Aber warum stelle ich jetzt die Textzeilen einer schottischen Rockband an den Beginn eines Artikels über die Musiker aus der Kölner Südstadt, Nippes und dem hohen Norden Frieslands? Ganz einfach: Mit ihrem letzten Album haben sich Köster & Hocker mit Fremde Feddere geschmückt und ein Repertoire englischsprachiger Songs ins Tief-Kölsche übertragen. "Gossenrein" wie Köster selbst es bei einem anderen Konzert mal nannte. Darunter neben Songs von Bob Dylan, The Pogues, Iggy Pop, Allen Toussaint und - natürlich - Tom Waits eben auch Nothing Ever Happens aus der Feder von Justin Currie. Die kölschen Übersetzungen lieferte dann die spitze Feder von Gerd Köster, der es wie gewohnt schafft den Songs und den handelnden Personen seinen und ihren ganz eigenen Charakter zu verleihen.

Und jeder Song von Köster & Hocker und jeder Protagonist der Texte bekommt seinen eigenen Wesenszug, seine individuellen Ecken, Kanten und Narben und letztlich von Gerd Köster seine persönlichen Worte und individuelle Stimmen. So ist es neben der musikalischen Leistung auch immer eine Menge Hörspiel und auch ein wenig Schauspiel, das der vielseitige - nach eigenem Bekunden aus Nippes emigrierte - Südstädter  neben den beiden Gitarristen auf die Bühne bringt.

Und so sind es in den Songs auch seltenst Personen ohne Macken, Marotten und Schicksale, die sich vorstellen oder vorgestellt werden. Und so passen natürlich auch Frank Zappas Bobby Brown - der in Köln natürlich Nobbi Braun heißt - oder der Mann in John Hiatts Train To Birmingham perfekt in Kösters Liederwelt. Und die beiden Protagonisten in Shane McGowans A Pair Of Brown Eyes finden sich dann auch noch genau in dem Mikrokosmos ein, den Köster am liebsten beschreibt. Den Pub beziehungsweise in seiner kölschen Welt die Veedelskneip op d'r Eck. 

Und so mischten sich an dem Abend in der Lutherkirche in der Kölner Südstadt neue Songs mit ein paar alten Liedern und eigene Melodien mit Coverversionen, tiefkölsche Texte mit launischen Moderationen, Überleitungen und Ansagen zu dem was ich während des kulturellen Lockdowns so vermisst habe: Ein vielschichtiger und unterhaltsamer Konzertabend. Und hierfür muss man auch den Veranstaltern großen Respekt zollen. Sie haben es geschafft ein Konzert unter den aktuellen Auflagen durchzuführen, ohne dass man eben diese in den Mittelpunkt gestellt und überwacht hat. Am Einlass gab es einen kurzen Hinweis zur Umsetzung der Regeln und bei allem weiteren hat man sich erfolgreich auf die Vernunft der Zuhörer verlassen. 

Auch Gerd Köster vermied es das Wort "Corona" irgendwie in den Raum zu stellen, auch wenn er natürlich nicht komplett um das Thema herum kam. Aber er stellte auch klar, dass das gefährlichere "Virus", das seit Jahrhunderten krassiert Rassismus und Fremdenhass heißt, was beispielhaft der Song Wa'sch nit kenne unterstrich. Und bei der Beiläufigkeit mit der diesen Themen durch den Alltag wabern bin ich wieder bei Del Amitri und der kölschen Übertragung >>Un widder brennt en Synagog' aff // Un mer singe: et kütt wie et kütt<<.

Wenn man über Köster & Hocker & Krumminga spricht darf man natürlich nicht nur auf den Sänger und Texter schauen, sondern auch auf die beiden Herren links neben ihm, die mit zwei Akustikgitarren das musikalische Bett machen, in das sich diese Songs legen können. Mal dezent als begleitender Hintergrund und mal mit beeindruckenden Instrumentalpassagen prägen die beiden Gitarristen den Abend ebenso mit wie der singende Geschichtenerzähler an ihrer Seite. Und so war es eine runde Sache an diesem frühen Sonntag Abend in der Kölner Südstadt. Hoffentlich kann man das in ganz naher Zukunft wieder öfter erleben und vielleicht auch irgendwann wieder so wie man es kennt ohne irgendwelche Auflagen. Und dann höpp de Nadel widder zum Anfang vum Leed // Un mir all singe widder schön met.

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